
Fotos: Selina Matile, Sylvia Stam
Ja sagen
zum Leben
das mit dir und deinen Worten spielt
voller Heimlichkeit, Tücken und Wunder
Lust- und Trauerspiel
deines LebensRose Ausländer
Meditation und Poesie in einem abgeschiedenen Dorf, das nur zu Fuss erreichbar ist, mit 12 Frauen – wie geht das?
Alle waren wir gespannt auf diese Woche, vor allem diejenigen, die das erste Mal dabei waren und den Ort mit Kirche und Gemeinschaftshaus noch nicht kannten.
Das Thema war gegeben. Rose Ausländer (1901- 1989), Mascha Kaleko (1907- 1975) und Hilde Domin (1909- 2006), drei deutschsprachige Lyrikerinnen, alle jüdischer Herkunft, die während des 2. Weltkriegs ins Exil flüchten mussten, standen im Mittelpunkt. Dann ihre Lyrik. Gedichte voller Schönheit und Melancholie, die im Plenum vorgelesen wurden. Irmgard und Christina brachten uns die Lebensgeschichten der Dichterinnen näher. Dann sprachen wir in Kleingruppen über ausgewählte Gedichte, die wir mit dem eigenen Leben in Beziehung verknüpften. Auch während der Meditationen und der Stille in der Kirche hörten wir Poesie, schön war es auch, die Worte zu singen, im Kreis schreitend.
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhaltenHilde Domin
Wie aktuell diese Autorinnen immer noch sind, zeigte sich in verschiedenen Gesprächen über unser Thema «Einander Hoffnung zumuten».
Die politischen Entwicklungen in Amerika, auch kriegerische Auseinandersetzungen in Europa und dem Nahen Osten machen uns grosse Sorgen. Wir sind uns bewusst, dass wir mitten drin sind und Teil von allem Geschehen. Hilde Domin ermutigt uns mit ihrem Vorbild, hinzusehen, sich einzumischen, mit leiser und lauter Stimme. Sie hatte Zivilcourage, sie war mutig und sagte überall ihre Meinung. Und sie schrieb Gedichte. Sie erfand mit Worten eine Welt jenseits der Angst und Lügen und hinterliess so für uns eine Spur der widerständigen Hoffnung.
Auf der Suche nach dieser Sprache haben wir gespürt, dass wir einander ermutigen können, miteinander im gemeinsamen Tun, Feiern und Singen.
Beim Abschied wussten wir, dass wir alle eine kostbare Zeit an diesem Ort der Stille mitten in der Natur erlebt haben.

Text: Esther Schneider, Fotos: ritiro.ch
Vierzehn Frauen und Männer haben sich im bewährten Rhythmus von ora et labora eine Woche lang mit dem Thema «Hoffnung zumuten» auseinandergesetzt. Die abendlichen Gesprächsrunden, in welchen wir uns dem Thema von verschiedenen Seiten angenähert haben, waren eine gegenseitige Bereicherung und haben nicht selten den eigenen Horizont erweitert.
Der labora-Teil forderte uns oft vollen Körpereinsatz ab! Ende Woche konnten wir zufrieden feststellen, dass wir Einiges bewegt haben, angefangen von den riesigen Haufen ausgerissenem Farn und Berufkraut, über die Brombeerranken, den gejäteten Gemüsegarten bis hin zu den Holzscheiterbeigen. Hungrig kamen wir jeweils von der Arbeit zurück und wie immer haben wir ausgezeichnet gegessen! Daneben blieb genug Raum für Zeiten der Musse!
Perspektivwechsel Hoffnung
Von oben nach unten und von unten nach oben zu lesen
Hoffnung heisst Leben
Nein, die Wahrheit ist
Dass Hoffnung unmöglich ist.
Ich glaube nicht
Dass ich trotz allem hoffen kann
Dass ich ohne Hoffnung auf Hoffnung hin vertrauen kann
Dass unter uns Hoffnung aufkeimt
Es ist doch so
Dass die vielfältigen Krisen übermächtig sind
Ich weigere mich zu glauben
Dass der Widerstand Sinn macht
Dass das Gras den Beton sprengt
Es ist doch ganz klar
Dass jeder Grund zur Hoffnung fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Hoffnung breitet sich aus!
Und nun lies den Text von unten nach oben!
(von Thomas Schmidt nach einem Text von Iris Macke aus dem Adventskalender Andere Zeiten 2018)

Text: Ursula Wyss, Fotos: Ursula Wyss, Josef Moser